Vom Roten Meer an den Bodensee

Ezzat arbeitete in Ägypten als Schiffsführer und ist seit einigen Jahren bei den Bodensee-Schiffsbetrieben tätig.

 

 

Schicksal. Das Wort fällt oft im Gespräch mit Ezzat. Das Schicksal hat es mit dem gebürtigen Ägypter nicht immer gut gemeint, aber er hat es stets angenommen und das Beste daraus gemacht. Schließlich ist er so auch bei den Bodensee-Schiffsbetrieben (BSB) gelandet, wo er sich sehr wohlfühlt: „Die Abwechslung im Unternehmen ist sehr schön. Ich habe immer Spaß bei der Arbeit. Die Atmosphäre ist mir sehr wichtig.“

Vor acht Jahren kam der 49-Jährige zu den BSB. Er ist im Lindauer Hafen als Anbinder tätig. Im Winter arbeitet er in der Werft in Friedrichshafen. Da er in seinem Heimatland im Erstberuf Schreiner war, gibt es für ihn viel zu tun, wenn in der Halle die Schiffe der Weißen Flotte für die Saison wieder auf Vordermann gebracht werden.

Ezzat war Schiffsführer in Sues, der Stadt am Roten Meer und am Sues-Kanal. Der begeisterte Taucher arbeitete für ein Tourismus-Unternehmen, das Safaris und Tauch-Touren anbietet. Der Liebe wegen hat es ihn aber 2009 nach Lindau verschlagen. Er liebt Ägypten zwar nach wie vor, aber da seine damalige deutsche Ehefrau ein Kind bekam, war für ihn dieser Schritt in ein fremdes Land selbstverständlich. „Es war für mich ganz schwierig am Anfang: Ich habe nur englisch gesprochen und meine Zeugnisse oder Papiere, wie der Führerschein, wurden nicht anerkannt“, erzählt er in seiner sehr ruhigen und überlegten Art. Aber er hat die Herausforderung angenommen und bei der Volkshochschule sowie einer Privatschule Deutsch gelernt, was nicht einfach war. „Als Ägypter schreibe ich eigentlich von rechts nach links, hier aber von links nach rechts. Und beim Rechnen ist es ebenfalls so.“ Er beherrscht die deutsche Sprache jetzt sehr gut. Die Sprachkurse hat er mit seinem Ersparten finanziert.    

„Mir war schnell klar, dass ich etwas arbeiten muss“, erzählt Ezzat, der in seiner Freizeit gerne mit dem Bleistift Menschen zeichnet oder Radtouren am See unternimmt. Als er sich bei einer Druckerei bewarb, wurde er sofort eingestellt. Er fühlte sich auch wohl, doch dann schlug wieder das Schicksal zu: Auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad fuhr ihn ein Auto an. „Mein Leben hat sich in diesem Moment um 180 Grad gedreht.“ Er konnte nach elf Operationen am Unterarm den Beruf nicht mehr ausüben. Und dann ging auch noch die Ehe zu Bruch. Doch er nahm diese Schicksalsschläge wieder an, er begann in einem Büro zu arbeiten. „Ich habe mich da aber nicht wohlgefühlt. Den ganzen Tag im Büro sitzen ist nichts für mich – ich bin am Meer groß geworden und liebe das Leben draußen.“ 

 

 

Als Ezzat eines Tages die Anzeige der BSB sah, war ihm klar: Das ist seine Chance. Er fuhr von Lindau nach Konstanz, um sich persönlich vor Ort vorzustellen. Es hat sich gelohnt, mit seinem Arbeitgeber ist er sehr zufrieden. „Die Firma hat mich immer unglaublich unterstützt.“ So kamen die BSB dem alleinerziehenden Vater bei den Arbeitszeiten entgegen, wenn er wegen seines Sohnes erst später am Tag zur Arbeit konnte. Er freut sich auch sehr über die Hilfe der Kolleginnen und Kollegen bei der täglichen Arbeit. So habe ihn Dieter Ehinger, langjähriger Instandhaltungsleiter der Werft, sehr unterstützt. 

 

Sein Sohn ist mittlerweile 14 Jahre alt und geht aufs Gymnasium. „Er heißt übrigens wie der erste Schiffsführer der Welt: Noah“, erzählt sein Vater lächelnd. Wie es das Schicksal will, wird es ihm selbst aufgrund des Alters zeitlich nicht mehr reichen, Schiffsführer am Bodensee zu werden – der Werdegang ist genau geregelt und nimmt viel Zeit in Anspruch. Aber Ezzat Abd hofft, eines Tages als Matrose auf den Schiffen der Weißen Flotte tätig zu sein. Er ist auf jeden Fall gewappnet für diesen Beruf, Wind und Wellen machten das Steuern eines Schiffes im Roten Meer nicht leicht. 

Mit seinem Sohn reist er einmal im Jahr nach Ägypten, wo noch Schwester und Bruder leben. „Noah ist ganz begeistert von dem Land.“ Und der 14-Jährige teilt noch eine Leidenschaft mit seinem Vater: „Er hat schon sehr großes Interesse an Schiffen.“